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Erdrauchkraut - Fumariae herba [Ph. Eur. 7.0 (07/2010: 1869)]

Stammpflanzen: Fumaria officinalis L. / Gemeiner Erdrauch [Fam. Fumariaceae / Erdrauchgewächse]. Synonyme: Fumaria media LOIS., Fumaria sturmii OPIZ, Fumaria vulgaris BUB. Dt. Synonyme: Für die in Deutschland weit verbreitete Pflanze existieren zahlreiche, häufig regionale Bezeichnungen, die heute jedoch kaum gebräuchlich sind. Zu diesen zählen u. a. Acker-Raute, Angenehmkräutel, Apostelkraut, Bitterkrut, Elfenrauch, Erdkraut, Erdraute, Feldkraut, Franzosenkraut, Grindkraut, Katzenkerbel, Liebeskraut, Nonnenkraut, Rauchkraut, Taubenkerbel, Taubenkropf, Vogelkraut, Wegtreter, Weihrauch und Zuckerkraut. Englisch: common fumitory, fumitory, wax-dolls.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Einjährige, von Mai bis Oktober blühende, 10 bis 50 cm hohe Pflanze. Stengel dünn, aufrecht oder aufsteigend, ästig verzweigt, etwas gerillt und leicht blau bereift. Laubblätter gestielt, doppelt gefiedert, mit gestielten, hand- oder fiederförmig geteilten Fiedern. Abschnitte der Blattfiedern 2 bis 3 mm breit, länglich-linealisch, vorne stumpf oder spitz. Blütentraube 20 bis 40blütig, aufrecht, zum Laubblatt gegenständig angeordnet. Blüten zygomorph, gespornt, 5 bis 8 mm lang. Kelchblätter 2, bis 3 mm lang, etwa 1/3 so lang wie die Krone ohne Sporn, eiförmig-lanzettlich, nach dem Aufblühen sehr schnell abfallend. Kronblätter 2 bis 2,5 mm lang und etwa 1,5 mm breit, purpurrot bis rosa, an der Spitze tief dunkelrot bis schwarz. Nussfrüchte kugelig, deutlich gekielt, einsamig, meist schon während der Blütezeit erscheinend Früchte sind kugelig, 2 bis 2,5 mm breit.

Verbreitung: Heimisch von den Kanarischen Inseln über ganz Europa und das gesamte Mittelmeergebiet bis nach West-Sibirien. In Nordamerika eingeschleppt. Bevorzugt kalkhaltige Böden. In ganz Deutschland häufig anzutreffen auf nährstoffreichen, lehmigen Äckern, in Gärten, Weinbergen, an Wegrändern und auf Schutt.

Droge: Die ganzen oder geschnittenen, getrockneten, während der Blütezeit gesammelten oberirdischen Teile von Fumaria officinalis L., die bezogen auf die getrocknete Droge einen Mindestgehalt an Alkaloiden von 0,4 % aufweisen, berechnet als Protopin.

Beschreibung der Droge: Stengelanteile hellgrün bis grünbraun, kantig und hohl. Laubblätter wechselständig angeordnet, doppelt fiederspaltig, mit 2- bis 3teiligen Abschnitten und länglichen oder verkehrt eiförmigen Zipfeln. Blüten zahlreich in einfachen, in den Blattwinkeln stehenden, lockeren Trauben; klein, kurz gestielt, hell- bis purpurrot mit dunkelpurpurnem oder braunem Fleck an der Spitze. Kelch 2blättrig und kurz, Krone 4blättrig, oberes Blatt breiter und gespornt. Zwei Staubfäden mit jeweils 3 Staubbeuteln. Früchte kugelig, braungrün, mit einem kleinen, braunen Samen. Die Schnittdroge besteht aus zahlreichen Bruchstücken der doppelt fiederspaltigen Blätter, hohlen, kantigen Stengelanteilen, einzelnen Blüten und den kugeligen Schließfrüchten.

Geruch und Geschmack: Geruchlos. Geschmack bitterlich und salzig.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Ackerrautenkraut, Erdrautenkraut, Grindkraut, Taubenkerbel. Englisch: Fumitory herb. Lateinisch: Herba Fumariae.

Herkunft: Importe aus Osteuropa, wo die Sammlung von Wildbeständen erfolgt.

Gewinnung der Droge: Keine Angaben verfügbar.

Inhaltsstoffe: Alkaloide: Benzylisochinolinderivate, Gehalt maximal 1,25 %, im Durchschnitt 0,3 bis 1,0 %. Bekannt sind ca. 30 Verbindungen. Hauptalkaloid ist das Protopin (Gehalt 0,2 bis 0,4 %), Nebenalkaloide sind (-)-Scoulerin, Sinactin, Cryptopin, Stypolin, Fumaritin, Fumarofin, Fumaricin, (+)-Fumarilin und Fumarophycin. Pflanzensäuren: Fumarsäure, Äpfelsäure, Kaffeesäure, Chlorogensäure und verschiedene Hydroxyzimtsäure-Äpfelsäureester, darunter insbesondere Kaffeesäure-Äpfelsäureester. Flavonoide: Rutin, Quercetin-3,7-diglucosid, Quercetin-3-glucosid sowie in geringer Menge Kämpferol-3-arabinosid. Weitere Bestandteile: Wenig Vitamin C, Schleimstoffe, Cholin.

Wirkungen: Leichte, spasmolytische Wirkung am oberen Verdauungstrakt. In der Literatur oft zitiert wird eine so genannte "amphicholeretische" Wirksamkeit. Dies bedeutet, dass die Droge sowohl den Gallefluss fördern kann als auch gleichzeitig bei pathologisch gesteigertem Gallefluss diesen reduzieren kann. Infolge wenig aussagekräftiger pharmakologischer Untersuchungen zu diesem Thema ist diese Hypothese zu bezweifeln.
In neueren pharmakologischen Untersuchungen konnte für Fumarsäureester des Erdrauchs eine hemmende Wirkung auf TH1-Zellen ermittelt werden, die bei Personen mit Psoriasis im Übermaß gebildet werden.

Anwendungsgebiete: Krampfartige Beschwerden im Bereich der Gallenblase und der Gallenwege sowie des Magen-Darm-Traktes. In Form eines aus dem Erdrauch hergestellten Fertigpräparats auch zur Behandlung der Psoriasis (Schuppenflechte).

Volkstümliche Anwendungsgebiete: In der Volksheilkunde auch traditionell äußerlich angewendet bei Hautkrankheiten wie Psoriasis und chronischem Ekzem (daher die alte Bezeichnung der Droge als Grindkraut), innerlich bei Verstopfung, Lebererkrankungen sowie bei Blasenleiden als Diureticum. In der traditionellen Medizin Italiens bei Atherosklerose, Rheumatismus, Arthritis und zur "Blutreinigung", auf den Kanarischen Inseln bei Hypoglykämie (zu niedrigem Blutzucker), auf dem spanischen Festland bei Infektionen, krampfartigen Beschwerden und als Tonikum. Mit Ausnahme den unter "Anwendungsgebiete" genannten Indikationen ist die Wirksamkeit der Droge nicht belegt.

Gegenanzeigen: Keine bekannt.

Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt. In toxikologischen Untersuchungen an Ratten und Mäusen unter Verwendung wässriger Extrakte der Droge wurde bei parenteraler Applikation eine letale Dosis von 1,5 g pro Kilogramm Körpergewicht ermittelt. Versuche mit peroraler Gabe wurden infolge dieser geringen Toxizität nicht durchgeführt.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Die mittlere Tagesdosis zur Behandlung krampfartiger Beschwerden im Bereich der Gallenblase und der Gallenwege sowie des Magen-Darm-Traktes beträgt soweit nicht anders verordnet 6 g Droge. Die Applikation erfolgt entweder als Kaltwasserauszug oder als Teeaufguss. Zur Herstellung eines Kaltwasserauszuges 2 Teelöffel geschnittener Droge mit 2 Tassen kaltem Wasser ansetzen, etwa 10 Stunden stehen lassen und danach durch ein Teesieb geben. Mehrmals täglich eine Tasse trinken. Zur Teebereitung gleiche Menge Erdrauchkraut mit 1 Tasse heißem Wasser übergießen und nach 10 Minuten durch ein Teesieb geben. Ebenfalls mehrmals täglich eine Tasse trinken.

Sonstige Verwendung: In der Homöopathie bei chronischem, juckenden Ekzem sowie bei Leberstörungen.

Bilder:

Der in ganz Deutschland sehr häufig anzutreffende Erdrauch besitzt doppelt gefiederte Blätter (Abbildung links). Die Blüten befinden sich in reichblütigen Trauben, die zu den Laubblättern gegenständig sind (Abbildung rechts). Dank ihrer typischen Form mit dem Sporn hinten und dem fast schwarz gefärbten vorderen Teil (Abbildung unten) besteht keine Verwechslungsmöglichkeit mit Arten anderer Gattungen. Von anderen einheimischen Erdraucharten ist F. officinalis durch die purpurroten Blüten, den niemals kriechenden oder klimmenden Stengel und die reichblütige Traube zu unterscheiden.


Literatur: Deutsches Arzneibuch 1999; Erdrauch gegen Schuppenflechte, Zeitschrift für Phytotherapie 2003 (3), S. 105; Europäisches Arzneibuch, 5. Ausgabe, 5. Nachtrag; Hager-ROM 2003, Springer-Verlag; Jäger EJ, Werner KW, Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland, Band 4, Gefäßpflanzen: Kritischer Band, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin 2002; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 173 vom 18.09.86; Schilcher H, Kammerer S, Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer, München Jena 2003; Teuscher E, Melzig MF, Lindequist U, Biogene Arzneimittel, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2004; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]; van Wyk BE, Wink C, Wink M, Handbuch der Arzneipflanzen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2004; Wichtl M (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002.


© Thomas Schöpke