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Tausendgüldenkraut - Centaurii herba [Ph. Eur. 7.0 (01/2008: 1301; revidiert 6.0)]

Stammpflanze: Centaurium erythraea RAFN s.l. [= einschließlich Centaurium majus (H. et L.) ZELTNER und Centaurium suffruticosum (GRISEB.) RONN.] / Echtes Tausendgüldenkraut [Fam. Gentianaceae / Enziangewächse]. Synonyme: Centaurium centaurium DRUCE, Centaurium minus MOENCH, Centaurium umbellatum GILIBERT, Erythraea centaurium (L.) PERSOON. Dt. Synonyme: Allerweltsheil, Apothekerbloom, Aurina, Bitterkraut, Blutfieberblumen, Erdgallen, Fieberkraut, Gallkraut, Gartenheyde, Geschosskraut, Goldgüldenkraut, Guldenkraut, Himmelblume, Hühnernelken, Lungenkraut, Marinken, Muttergotteskraut, Pifferkraut, Rötling, Schmeckeblümchen, Schreckkraut, Siebenundsiebzig-Spitzenkraut, Tausendguldenkraut, Unpfennigkraut, Wohlverleih. Englisch: centaury, common centaury, European centaury, pink centaury.

Botanische Beschreibung der Stammpflanze: Von Juli bis September blühendes, 10 bis 50 cm hohes, zweijähriges Kraut. Der Wurzel entspringt in der Regel ein einzelner Stengel, im oberen Teil ästig verzweigt ist. Die Blätter sind 1 bis 4 cm lang, 8 bis 20 mm breit und ganzrandig, die Rosettenblätter eiförmig bis verkehrt-eiförmig, die gegenständig angeordneten Stengelblätter länglich-eiförmig bis lanzettlich und meist fünfnervig. Die ca. 8 mm großen, 5zähligen, radiärsymmetrischen Blüten sind in schirmförmigen Dichasien angeordnet. Zum Zeitpunkt des Aufblühens ist der Kelch stets kürzer als die Kronröhre. Die rosafarbenen Kronblätter bestehen aus einer langen Röhre und 5 bis 8 mm langen, flach ausgebreiteten Zipfeln, die Staubblätter sind der Kronröhre nahe dem Schlund angeheftet. Dem oberständigen Fruchtknoten entspringt ein deutlich abgesetzter, fadenförmiger Griffel, der eine zweikopfige Narben trägt.

Verbreitung: Heimisch von den Kanarischen Inseln und den Azoren über das gesamte Mittelmeergebiet und Kontinentaleuropa einschließlich Großbritannien und Skandinavien, Vorderasien, den Kaukasus bis nach Mittelasien (Altai, Usbekistan, Pakistan). In Mitteleuropa findet man die Pflanze auf kalkhaltigen Böden an wechselfrischen bis mäßig trockenen Waldrändern und Waldschlägen und auf Halbtrockenrasen.

Droge: Die ganzen oder geschnittenen, getrockneten oberirdischen Teile blühender Pflanzen von Centaurium erythraea RAFN. s. l.

Beschreibung der Droge: Der hellgrüne bis dunkelbraune, nur im oberen Teil verzweigte Stengel ist hohl, zylindrisch und mit Längsleisten versehen. Die eiförmigen bis lanzettlichen, ganzrandigen, bis 3 cm langen, beiderseits grünen bis bräunlichgrünen Blätter sind kreuzgegenständig angeordnet, sitzend und kahl. Der Blütenstand ist diaxial verzweigt. Der Kelch ist röhrenförmig, grün und vorne mit mit 5 lanzettlichen, zugespitzten Zähnen versehen. Die Krone besteht aus einer weißlichen Kronröhre, die sich in 5 längliche, rosafarbene, etwa 5 bis 8 mm lange Zipfel teilt. Dem Schlund der Kronröhre entspringen 5 Staubgefäße. Der oberständige, zahlreiche Samenanlagen aufweisende Fruchtknoten trägt einen kurzen Griffel mit einer breiten, 2lappigen Narbe. Recht häufig finden sich ferner zylindrisch geformte, etwa 7 bis 10 mm lange Kapseln, die kleine, braune, gemusterte, rauhe Samen enthalten. Die Schnittdroge ist charakterisiert durch zahlreiche Bruchstücke der vierkantigen, hohlen Stengel, die meist eine gelbliche Farbe aufweisen, und die bis 8 mm langen, rötlichen Blüten. Weiterhin finden sich gelegentlich die 2klappig aufspringenden Kapseln mit den sehr kleinen Samen. Blattfragmente sind infolge der starken Schrumpfung der Blätter während des Trocknungsvorgangs kaum anzutreffen.

Geruch und Geschmack: Schwacher, eigenartiger Geruch und stark bitterer Geschmack.

Synonyme Drogenbezeichnungen: Deutsch: Bitterkraut, Erdgalle, Erdgallenkraut, Fieberkraut, Roter Aurin, Tausendguldenkraut. Englisch: Centaury, Centaury herb, Centaury tops, Herb of centaurium. Lateinisch: Herba Centaurii, Herba Centaurii minoris, Herba Chironiae, Herba Erythraeae centaurii, Herba Felis terrae, Summitates Centaurii, Summitates Centaurii minoris.

Herkunft: Tausendgüldenkraut wird in den USA angebaut. Die in Deutschland erhältliche Ware stammt jedoch ausschließlich aus der Wildsammlung in Marokko, Bulgarien, Serbien und Kroatien..

Gewinnung der Droge: Um die Blütenfarbe zu erhalten, empfiehlt sich die schnelle Trocknung. In den Herkunftsländern wird jedoch überwiegend an der Luft getrocknet.

Inhaltsstoffe: Bitterstoffe: Secoiridoide. Quantitativ dominierender Bestandteil mit einem Anteil von ca. 75 % am Gesamtiridoidgehalt ist das Swertiamarin, weitere in nennenswerter Menge vorkommende Komponenten sind Gentiopikrosid und Swerosid. Maßgeblich für den bitteren Geschmack verantwortlich sind die fast ausschließlich im Fruchtknoten vorkommenden und daher nur in geringen Mengen vorhandenen Swerosidester Centapikrin und Desacetylcentapikrin. Weiterhin enthält die Droge geringe Mengen an Gentioflavosid und Dihydrocornin. Xanthone: Ausschließlich methoxylierte Derivate. Bekannt sind u. a. 1-Hydroxy-3, 5, 6, 7, 8-pentamethoxyxanthon (Eustomin), 1, 6, 8-Trihydroxy- 3, 5, 7-trimethoxyxanthon, 1, 2, 3-Trihydroxy- 5-methoxyxanthon, 1, 8-Dihydroxy-3, 5, 6, 7-tetramethoxyxanthon (8-Desmethyleustomin) und 1, 4-Dihydroxy-3, 5-dimethoxyxanthon. Weitere Bestandteile: U. a. ca. 0,4 % Flavonoide, Phenolcarbonsäuren, Triterpene, darunter ca. 0,7 % Oleanolsäure, Phytosterole sowie die vermutlich Artefakte darstellenden Secoiridoidalkaloide Gentianin und Gentianidin.

Wirkungen: Steigerung der Speichel- und Magensaftsekretion. Diese wird reflektorisch durch den bitteren Geschmack der Droge ausgelöst. Weiterhin wurden antiphlogistisch, antipyretische und radikalfangende Eigenschaften nachgewiesen.

Anwendungsgebiete: Appetitlosigkeit und dyspeptische Beschwerden.

Volkstümliche Anwendungsgebiete: Neben der Anwendung als appetitstimulierendes Mittel wird Tausendgüldenkraut traditionell innerlich als fiebersenkendes Mittel und äußerlich als Wundheilmittel verwendet. Auf der Basis von Ergebnissen neuerer pharmakologischer Untersuchungen erscheint die Wirksamkeit plausibel. Weiterhin wird die Droge in der Volksheilkunde u. a. bei Harnblasen- und urologischen Beschwerden, Fettsucht, Leberleiden, zur Vorbeugung von Gallenkoliken sowie als "Blutreinigungsmittel" und als Tonikum verwendet. Wirksamkeitsnachweise für die zuletzt genannten Indikationen existieren nicht.

Gegenanzeigen: Keine bekannt.

Unerwünschte Wirkungen: Keine bekannt.

Wechselwirkungen mit anderen Mitteln: Keine bekannt.

Dosierung und Art der Anwendung: Die mittlere Tagesdosis beträgt 6 g Tausendgüldenkraut. Die Einnahme sollte zwei- bis dreimal täglich erfolgen. Zur Teebereitung 1 Teelöffel voll (ca. 1,8 g) Tausendgüldenkraut mit kochendem Wasser (ca. 150 ml) übergießen und nach etwa 10 Minuten durch ein Teesieb geben oder einen gehäuften Teelöffel mit 1 Tasse kaltem Wasser ansetzen, sechs bis 10 Stunden unter gelegentlichem Umrühren einweichen und anschließend auf Trinktemperatur erwärmen. Zur Appetitanregung jeweils ca. 30 min vor den Mahlzeiten, bei Verdauungsbeschwerden nach den Mahlzeiten einnehmen.


Bilder:

Das im oberen Teil ästig verzweigte Tausendgüldenkraut besitzt rosafarbene Blüten, die in schirmförmigen Dichasien angeordnet sind, die beim oberflächlichen Betrachten den Eindruck von Dolden erwecken und daher gelegentlich als Trugdolden bezeichnet werden (s. Abbildung links). Insofern die Blüten voll geöffnet sind, was in der Regel nur bei Sonnenschein oder zumindest sehr guten Lichtverhältnissen der Fall ist, sind die Kronblätter flach ausgebreitet, so dass die mehr oder weniger kopfförmigen Narben erkennbar sind (s. Abbildung rechts oben). Im unteren Teil sind die Kronblätter zu einer hellgrün gefärbten Röhre verwachsen, die aus dem fast gleich gefärbten Kelch herausragt (s. Abbildung rechts unten).


Literatur: Europäisches Arzneibuch, 4. Ausgabe, Grundwerk 2002 und 5. Ausgabe, 5. Nachtrag; Hager-ROM 2003, Springer-Verlag; Jäger EJ, Werner KW, Rothmaler - Exkursionsflora von Deutschland, Band 4, Gefäßpflanzen: Kritischer Band, Spektrum Akademischer Verlag, Heidelberg Berlin 2002; Hänsel R, Sticher O, Steinegger E, Pharmakognosie - Phytopharmazie, Springer Verlag, Berlin Heidelberg 1999; Marzell H, Wörterbuch der Deutschen Pflanzennamen, Verlag S. Hirzel, Leipzig 1943; Monografie der Kommission E, Bundes-Anzeiger Nr. 122 vom 06.07.1988 (Berichtigung in Nr. 50 vom 13.03.1990); Schilcher H, Kammerer S, Leitfaden Phytotherapie, Urban & Fischer, München Jena 2003; Springefeld K, Tausendgüldenkraut - Heilpflanze des Jahres 2004, Pharmazeutische Zeitung 149 (2004): 1170; USDA, ARS, National Genetic Resources Program. Germplasm Resources Information Network - (GRIN) [Online Database]; Valentao P, Fernandes E, Carvalho F, Andrade PB, Seabra RM, Bastos ML, Hydroxyl radical and hypochlorous acid scavening activity of small Centaury (Centaurium erythraea) infusion. A comparative study with green tea (Camellia sinensis), Phytomedicine 10 (2003): 517-522; van Wyk BE, Wink C, Wink M, Handbuch der Arzneipflanzen, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2004; Wichtl M (Hrsg.), Teedrogen und Phytopharmaka, Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft mbH, Stuttgart 2002.


© Thomas Schöpke